Das WOKE-Phänomen – sie machen munter weiter!

Liebe Leser,

eigentlich dient unser Blog dazu, verschiedene Themen in aller Ruhe aus philosophischer Perspektive zu diskutieren, für argumentative Klarheit zu sorgen und so unsere Leser bei Ihrer eigenen Meinungsbildung kompetent zu unterstützen.

Die Diffamierungskampagne im Internet gegen mich nimmt so langsam selbst für woke Verhältnisse groteske Züge an. Aber, macht nichts: Seit dem 11.11. ist ja Fasching, der hat traditionell mit Narrenfreiheit zu tun und dafür habe ich viel Verständnis.

Mein letzter Beitrag hatte in kürzester Zeit enorm viele Aufrufe. Das zeigt, dass Sie es akzeptieren, wenn ich für mich in diesem Fall eine Ausnahme mache und mich erneut in eigener Sache zu Wort melde. Ich verzichte darauf, alle Hintergründe im Detail zu schildern, das wäre zu mühsam und wenig interessant. Wer die Diffamierungskampagne gegen mich bereits verfolgt, wird alles einordnen und zuordnen können. Ich hoffe, dass ich mich dann in absehbarer Zeit wieder dem eigentlichen Zweck unseres Blogs widmen kann – und bedanke mich herzlich für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung!

Worum geht es?

In einem Video vom 5.12. mit dem Titel Wieder GWUP: Wie man den Wokies das Feld überlässt (https://www.youtube.com/watch?v=L-tWKV0VKJs) wirft Frau Kraft – ich kenne sie nicht – mir vor, ich hätte in meinem Vortrag zum WOKE-Phänomen dem Publikum entweder ins Gesicht gelogen oder unglaublich schlecht recherchiert (https://www.youtube.com/watch?v=ljm0iqqFoqk). Meine Darstellung stimme nicht und sei sehr einfach zu widerlegen. Dies sei das Ergebnis ausführlicher Recherchen Florian Aigners und anderer. (Im Video beginnt der Austausch zu meinem Vortrag bei 1.o8.00 bzw. 1.21.00). Auf welche Inhalte meines Vortrages sie sich genau bezieht, wird für mich nicht klar; das wird leider nicht eindeutig benannt. Ich nehme aber an, es geht um die These, Matauranga Maori solle gleichberechtigt mit den Naturwissenschaften in den Unterricht an Neuseelands Schulen (und Universitäten) aufgenommen werden. Im Anschluss daran folgen Ausführungen Frau Wismeg-Kammerlanders zu rechtsextremen Emotionalisierungsstrategien und deren Ähnlichkeiten zu meinem „Maori-Beispiel“. Damit solle den Leuten Angst gemacht werden. Sie wolle damit natürlich nicht andeuten, ich sei in irgendeiner Weise rechtsextrem oder wolle den Leuten Angst machen. Da bin ich erleichtert. Echt.

Worum geht es in meinem Vortrag?

Im Vortrag geht es mir darum, anhand eines konkreten Beispiels typisch woke Argumente vorzustellen und an deren akademische Basis anzubinden. Das Beispiel aus Neuseeland habe ich in der Hoffnung gewählt, durch die geographische Distanz während des Vortrags eine gewisse emotionale Distanz zu wahren, die für eine rationale Analyse sehr hilfreich ist. Das hat vor Ort auch prima geklappt: Herzlichen Dank an das sehr offene und kluge Publikum in Nürnberg! Zweitens ist das Beispiel so bekannt und gut dokumentiert, dass es nicht als trivial abgetan werden kann. Genau so erkläre ich es auch im Vortrag.

Was behaupte ich im Vortrag in Bezug auf den Anlass des offenen Briefes der 7 Wissenschaftler (Die 7)?

Ich stelle unter Berufung auf Die 7 fest, dass im Rahmen der Umsetzungsdebatte zu Vision Matauranga die Forderung erhoben wurde, Matauranga Maori gleichberechtigt zu Physik, Chemie, Biologie an Schulen (und Universitäten) zu etablieren. Das ist absolut korrekt. Hier die Textstelle aus dem Regierungsbericht (Seite 3), auf den Die 7 sich beziehen:

Mana ōrite mō te mātauranga Māori
3. Mana ōrite mō te mātauranga Māori means equal status for mātauranga Māori in NCEA and is particularly important when deciding what TMoA subjects to support at NCEA Levels 1-3. Our goal is to ensure parity for mātauranga Māori with the other bodies of knowledge credentialed by NCEA (particularly Western/Pākehā epistemologies). This parity needs to span English-and Māori-medium settings. The Ministry is committed to ensuring mātauranga Māori is explicitly and equitably valued in NCEA and that mātauranga Māori pathways are acknowledged and supported equally in NCEA.

Hier der (aktuelle) Link dazu; seltsamerweise hat die Regierung diesen schon mehrfach geändert: https://ncea-live-3-storagestack-53q-assetstorages3bucket-2o21xte0r81u.s3.amazonaws.com/s3fs-public/2021-06/Technical%20Report%20TMoA.pdf?VersionId=DV_LCpf0dqR2BeROrkVHghISsckS_Nuo.

Zum Hintergrund: Die Debatte, ob Matauranga Maori erkenntnistheoretisch den Naturwissenschaften gleichzustellen sei, wird in Neuseeland seit Jahren geführt. Die damit verknüpfte Forderung nach völliger Gleichstellung von Matauranga Maori an Schulen und Universitäten, auch und gerade im Bereich der Naturwissenschaften, wurde ebenfalls seit Jahren immer wieder erhoben, ist also auch keineswegs neu. Sie taucht hier aber meines Wissens zum ersten mal als konkrete Empfehlung in einem Bericht der Regierung auf. Deshalb, aber das ist nur meine ganz persönliche Vermutung, wollten Die 7 eine öffentliche Debatte zum Status Matauranga Maoris anstoßen: Die Einschläge kamen näher …

Damit haben sie übrigens genau das getan, wozu die Regierung in dem fraglichen Bericht mit dessen Freigabe explizit aufgerufen hat: An der öffentlichen Debatte teilgenommen. Zu Historie und Hintergrund der Debatte habe ich dem Wissenschaftsrat der GWUP zahlreiche Quellen zukommen lassen; individuelle Anfragen dazu möchte ich aus Zeitgründen nicht mehr beantworten.

Natürlich hat niemand an dieser Stelle behauptet, dass es Inhalte aus Matauranga Maori im naturwissenschaftlichen Unterricht bzw. dem Curriculum dazu bereits gebe: Der Regierungsbericht sollte ja gerade die Ausarbeitung entsprechender Lehrpläne vorbereiten bzw. anstoßen.

Wurden Inhalte von Matauranga Maori später in Lehrpläne für den Wissenschaftsunterricht aufgenommen?

Darum geht es in meinem Vortrag nicht. Mir geht es klar und deutlich um die Diskussionen zur Stellungnahme Der 7 ab der Veröffentlichung ihres offenen Briefes.

Aber: Wie trotz der heftigen Debatte und aufgrund der damaligen politischen Konstellation in Neuseeland nicht anders zu erwarten, ist das im Rahmen eines Pilotprojektes tatsächlich geschehen. Das war mir zum Zeitpunkt des Vortrages bekannt und ist natürlich ein starkes Indiz dafür, dass Die 7 und sehr viele andere Kenner der Situation in Neuseeland mit ihrer Einschätzung richtig lagen. Die Quellen dafür sind innerhalb von 3 Minuten leicht und unkompliziert über Google zu finden (siehe unten).

Beispiel 1

In den Lehrplan (Curriculum) für den Biologie- und Chemieunterricht wurde als Lehrinhalt das Vitalismuskonzept Matauranga Maoris, Mauri, aufgenommen. Grob gesagt geht es um eine Lebenskraft, die alle belebten und unbelebten Entitäten durchströmt und permanent von den beiden Gottheiten Rangi und Papa abgestrahlt wird. Dabei handelt es sich um eine der zentralen Lehren des Maori-Weltbildes.

Paul Kilmartin, Chemieprofessor an der Universität Auckland, hat am 18.2.2022 zu einer Vorlesung via Zoom eingeladen, in der er seine Meinung zu diesem Teil des Lehrplans klar kommuniziert hat. Im sehr lesenswerten Blogessay von Nick Matzke sind alle Einzelheiten und Links dazu enthalten: https://pandasthumb.org/archives/2022/02/NZ-mauri-chemistry-kilmartin-seminar.html.

Es finden sich darin auch Screenshots bzw. Auszüge des Curriculums der Regierung. Das ist wichtig, weil im aktuellen Lehrplan für Biologie/Chemie das Thema Mauri nicht (mehr) auftaucht. Anhand der Änderungshistorie konnte ich nicht rekonstruieren, wann es entfernt wurde. Meine Vermutung: Es hat die erste Pilotphase an den Schulen – Professor Kilmartin erwähnt diese – nicht überstanden.

Sehr zu empfehlen ist außerdem der sehr ausführliche Podcast Michael Goldwaters mit Professor Kilmartin zu Matauranga Maori bzw. Mauri: https://www.youtube.com/watch?v=EOOe0NxFy80. Er erklärt ausführlich, warum er als Naturwissenschaftler die Erweiterung des Curriculums um Mauri ablehnt. Es werden übrigens auch die Rückzieher der Royal Society besprochen, die zu Beginn der Debatte die Stellungnahme Der 7 in wichtigen Teilen falsch bzw. stark verzerrt wiedergegeben und die ganze Diskussion unnötig emotionalisiert hatte.

Meine Empfehlung gilt darüber hinaus für jede einzelne Folge der Reihe The Shape of Dialogue. Michael Goldwater hat damit die ganze Debatte um den Brief Der 7 von Anfang an mit sehr kompetenten Gesprächspartnern aus allen Lagern begleitet. Mich beeindruckt seine ruhige, konsequente und immer exzellent informierte Gesprächsführung. Unter anderem spricht er mit Steven Pinker, Jerry Coyne und Daniel Hikuroa. Interessierten möchte ich vor allem die Folge mit Charles Royal ans Herz legen; man erhält einen exzellenten Überblick zu Historie und Entwicklungsstand Matauranga Maoris: https://www.youtube.com/watch?v=JzoNIvqSW7w.

Beispiel 2

Ein weiteres sehr klares und aussagekräftiges Beispiel liefert der bekannte Biologe Jerry Coyne. Er hatte sich zu Beginn der Debatte hinter Die 7 gestellt. Es spricht für sich und bestätigt die Befürchtungen der 7 Wissenschaftler komplett: https://whyevolutionistrue.com/2022/12/01/a-new-zealand-teacher-writes-the-government-protesting-a-proposed-curriculum-asserting-the-equality-of-indigenous-ways-of-knowing-with-science/.

Ergänzung zu Beispiel 2 am 28.2.2024

Jerry Coyne hat kürzlich die Screenshots aus seinem Blogbeitrag entfernt –  ich habe noch keine Informationen, warum er das gemacht hat. 

Das macht aber nichts. Eine Vielzahl an zusätzlichen Belegen für meine Behauptungen  finden Sie seit dem 28.2.2024 in diesem Beitrag: https://blog.projekt-philosophie.de/woke-phaenomen/das-woke-phaenomen-zur-debatte-um-matauranga-maori/ 

Was ich mir wünsche

Erstens erwarte ich jetzt von Frau Kraft, dass sie zeitnah klipp und klar öffentlich benennt, zu welchen Punkten meine Darstellung nicht stimmt und meine Recherche unhaltbar ist. Ich lerne immer gerne dazu.

Zweitens würde ich mich freuen – siehe oben, Narrenfreiheit – wenn Herr Hümmler, Herr Aigner, Frau Wismeg-Kammerlander und Frau Kraft sich nicht entmutigen lassen und sich bis Jahresende noch ein paar neue Vorwürfe und Geschichten ausdenken. Ich habe 2024 schon einige Termine zu einem Vortrag über Cancel Culture und werde dabei ausführlich auf typisch woke Manipulations-und Diffamierungstaktiken eingehen. Der Vortrag schreibt sich durch ihre Beiträge gerade selbst – und das verschafft mir viel Zeit für Skitouren.

Drittens würde ich mich sehr freuen, wenn mein Vortrag bei YouTube bis Jahresende 10000 Aufrufe schafft. Für je 1000 erhalte ich nämlich ein Pfund hausgemachten und phantastischen Spekulatius als Belohnung. Gehört bei jeder Skitour in den Rucksack – Danke für Ihre Hilfe! https://www.youtube.com/watch?v=ljm0iqqFoqk

PD Dr. Andreas Edmüller, 15.12.2023

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