Rechtspopulismus eindämmen: Was funktioniert nicht? (Teil 1)

In einer sechsteiligen Folge von Essays habe ich letzten Herbst in diesem Blog das Phänomen des Rechtspopulismus ausführlich analysiert.1)Rechtspopulismus verstehen. Teil 1 – 6. Veröffentlichungsdatum: 21. September 2019. Das war und ist wichtig, denn sehr viele Analysen des Rechtspopulismus weisen aus meiner Sicht systematische Defizite auf:

  • Normative Elemente werden mit psychologischen, sozialen, wirtschaftlichen und rhetorischen vermischt und zu einem bunten „Gesamtbild“ verknüpft. Ein tieferes Verständnis lässt sich so nicht gewinnen. 
  • Was außerdem fehlt ist die Einsicht, dass und wie der Universal- bzw. Wohlfahrtsstaat dem Rechtspopulismus den Weg bereitet hat und das immer noch tut.2)„Schöne“ Beispiele dafür liefert die Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/

Aber ohne ein klares und tiefes Verständnis seiner Grundlagen und Erfolgsrezepte wird man den Rechtspopulismus nicht wirkungsvoll eindämmen und zurückdrängen können. Die öffentlich diskutierten Ideen und Handlungsansätze zum Umgang mit dem Rechtspopulismus, dessen Vertretern und Wählern spiegeln das wider: Auch sie sind zahlreich und widersprüchlich, oft unsystematisch und oberflächlich, sehr oft sehr vage. Es drängt sich sogar der Eindruck einer gewissen hilflosen Beliebigkeit auf – Hauptsache, man macht irgend etwas. Besonders wirkungsvoll ist das alles bisher nicht: Nach wie vor ist der politische Schwung des Rechtspopulismus beachtlich.

Wie die Wahl in Thüringen gezeigt hat, besteht sogar ein gewisses Risiko, dass unsere Verfassung durch rechte und linke Populisten ausgehöhlt und zerstört wird.3)https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-zur-wahl-thueringen/ Boris Johnson und seine Brexiteers, Orbans christliche illiberale Demokratie, Trump und seine vernunftresistente christliche Gefolgschaft, die nationalistische Regierung in Polen, der nach wie vor enorme Rückhalt Salvinis bei den italienischen Wählern und Le Pens Rassemblement National (früher Front National) – politischer Verfall sieht anders aus.

Vor diesem Hintergrund mache ich mich an den zweiten Teil der Aufgabe. Es geht jetzt um die Frage, was wir gegen den Rechtspopulismus tun können. Dabei nehme ich wie gewohnt den Standpunkt des klassischen Liberalismus ein.

Mein Vorgehen im Überblick

Zuerst diskutiere ich einige Taktiken gegen den Rechtspopulismus, die erkennbar nicht funktionieren:

  • In Teil 1 analysiere ich den Ansatz, den Rechtspopulismus durch Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen einzudämmen und erkläre, warum das nicht funktioniert. Außerdem werfe ich einen Blick auf den ähnlich wirkungslosen Appell an Vernunft, Wahrheit, Toleranz und Freiheitsrechte.
  • In Teil 2 erläutere ich, warum weder der weitere Ausbau des Wohlfahrts- bzw. Universalstaates noch die Übernahme rechtspopulistischer Themen sinnvoll sind.
  • Teil 3 widmet sich der Idee, die Basisdemokratie zu stärken und erklärt, warum sich die Rechtspopulisten darüber sehr freuen würden.

Dann ziehe ich die Lehren aus diesen verfehlten Ansätzen und entwickle Kernelemente einer Strategie zur Eindämmung des Rechtspopulismus.

  • In Teil 4 plädiere ich dafür, sowohl die politischen Positionen als auch die ideologischen Grundlagen des Rechtspopulismus konsequent in die Diskussion einzubeziehen und kritisch zu prüfen: Beide sind oft genug nicht haltbar.
  • In Teil 5 erläutere ich, warum wir einen konsequenten Rückbau des Universalstaates benötigen und uns unabhängig vom Rechtspopulismus auf die wirklich wichtigen Themen für unsere Zukunft konzentrieren sollten. 
  • In Teil 6 argumentiere ich für eine Stärkung des Rechtsstaatsprinzips, der Individualrechte und der parlamentarischen Demokratie.
  • Teil 7 enthält mein Fazit: Worauf kommt es wirklich an?

Meine Betrachtungen beginne ich mit einer Analyse von Taktiken und Strategien, die oft gegen den Rechtspopulismus empfohlen und eingesetzt werden, die aber wenig bis keine Wirkung erzielen konnten; vermutlich haben sie ihn sogar gestärkt. Das Motto: Aus Fehlern wird man klug.4)Ja, ich bin Optimist.

Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen funktionieren nicht

Ein aussagekräftiges und anschauliches Beispiel dafür finden wir im eigenen Land. Als die AfD ihre ersten Erfolge erzielen konnte – damals noch mit Bernd Lucke oder Frauke Petry – wurde in Medien und Politik oft mit Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen reagiert. Auch heute noch wird das praktiziert – im Kommunalwahlkampf 2020 werden z.B. die Grünen in München jede Diskussion mit Vertretern der AfD verweigern. 5)https://www.gruene-muenchen.de/2019/12/18/keine-auftritte-mit-afd-beteiligung/ 

  • Ausgrenzen: Neutrale und professionelle Berichterstattung fordert, dass alle relevanten politischen Positionen und deren Vertreter angemessen dargestellt werden bzw. zu Wort kommen. Bei diesem Thema haben sich speziell die öffentlich-rechtlichen Medien nicht mit Ruhm bekleckert. Vertreter der AfD wurden oft nicht in Talkshows eingeladen, obwohl es um Themen ging, zu denen die AfD prägnante und einflussreiche Positionen vertrat. Der AfD wurde zudem weniger Raum für Interviews in der Berichterstattung eingeräumt als anderen und zu oft wurden ihre Positionen verkürzt oder nicht (ganz) korrekt dargestellt.6)Gleichzeitig wurde und wird der SED-Nachfolgepartei, dem linken Gegenstück zur AfD, in der Berichterstattung erstaunlich viel Raum gegeben und Verständnis entgegengebracht.
  • Verzerren und Ausschimpfen: Neutrale (und kompetente) Berichterstattung fordert, dass politische Positionen und Argumente korrekt zusammengefasst, wiedergegeben und dargestellt werden. Erinnert man sich an den Umgang vieler Medien – und hier wieder speziell der öffentlich-rechtlichen – mit der inhaltlich durchaus vertretbaren Kritik der frühen AfD an der Politik der EZB, dem Krisen-Management in Griechenland oder der Aufweichung der europäischen Stabilitätskriterien, so beschwert die AfD sich zu Recht. Auch die anderen Parteien haben sich sehr lange sehr wenig mit den konkreten Positionen der AfD beschäftigt, sondern sich viel zu oft mit vagen und emotional geladenen Allgemeinplätzen wie friedensgefährdend, unsozial, verfassungswidrig, rechtsextrem oder undemokratisch der rationalen, sauberen und kritischen Diskussion entzogen. 

Übrigens: Man kann sich leicht selbst davon überzeugen, dass wir es hier mit einem grundsätzlichen und internationalen Defizit journalistischer (und politischer) Kultur zu tun haben.7)Für Deutschland liefert Jan Fleischhauer eine recht plausible Erklärung: https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/der-schwarze-kanal-warum-sind-die-meisten-journalisten-links_id_11639898.html Die Berichterstattung zum Brexit oder zu den letzten Unterhauswahlen in britischen „Qualitäts“-Medien wie The Independent oder The Guardian kann mit guten Gründen als Gesinnungsjournalismus eingestuft werden. Gleiches gilt für Trump-kritische Fernsehsender wie CNN – die Berichterstattung passt sich dort zu oft dem Nicht-Niveau Trumps und seiner Anhänger an und orientiert sich ganz allgemein viel zu sehr an oberflächlichem „Sensationalismus“.

Zurück zum Beispiel im eigenen Land. Dass dieser Umgang mit der AfD nicht funktioniert hat, ist heute deutlich zu sehen. Die AfD ist stärkste Oppositionspartei im Bundestag, ist in allen Landesparlamenten vertreten und die Hürde von 5% ist für sie keine. Der Rechtspopulismus hat sich bei uns als politischer Machtfaktor etabliert. Dass mir das nicht gefällt, ändert nichts daran, dass es so ist.

Warum funktionieren Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen nicht?

Dass dieser Umgang mit der AfD nicht funktionieren konnte und kann liegt auch auf der Hand – ist aber etwas weniger leicht einzusehen. Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen spielen der AfD nämlich direkt in die Karten und stärken ihre Position und Attraktivität bei Wählern und Sympathisanten. Was heißt das?

Aus liberaler Perspektive ist es selbstverständlich: Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen sollte und kann in einer offenen Gesellschaft die oft sehr unbequeme und schwierige Diskussion zu heiklen Themen nicht ersetzen. 

  • Diese Diskussion ist wichtig, um Irrtum, Ungerechtigkeit und die Denkfehler dahinter zu erkennen und möglichst vielen Bürgern klar vor Augen zu führen. 
  • Diese Diskussion ist wichtig, um Wahrheit und Gerechtigkeit argumentativ abzusichern und in der öffentlichen Debatte solide zu verankern.8)Das hat in aller Klarheit John Stuart Mill in seinem Klassiker On Liberty/Über die Freiheit (1859) herausgearbeitet: On Liberty and Other Essays. Ed.: John Gray. Oxford, New York,1991. 
  • Diese Diskussion ist auch wichtig als Signal an den „mündigen Bürger“: Die politische Kultur wird vor allem von ihm geprägt, nicht von irgendwelchen universalstaatlichen Meinungs-Gouvernanten. 

Verweigert man der AfD diese Diskussion, dann hat sie alleine schon deshalb gute Karten: Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen sind tatsächlich frag- und kritikwürdige Vorgehensweisen. Was waren die Folgen davon?

  • Die AfD und ihre Anhänger wurden dadurch in ihrer Opferrolle gestärkt: Die behandeln uns wie Kinder oder Bürger zweiter Klasse; die wollen uns mundtot machen; „das System“ aus etablierten Parteien und Medien will uns durch nackten, unfairen Machteinsatz fertigmachen …
  • Die AfD und ihre Anhänger wurden dadurch in ihrer Heldenrolle gestärkt: Wir sind die einzigen, die sich trauen, den Mund aufzumachen; nur wir erkennen die Missstände und haben die patriotische Pflicht, sie ins Bewusstsein der Bürger zu rücken – auch gegen den erbitterten Widerstand „des Systems“ …  
  • Die AfD wurde dadurch inhaltlich enorm aufgewertet: Ohne saubere Diskussion und Argumentation ist es natürlich sehr schwer, die Positionen und Argumente der AfD wirkungsvoll zu kritisieren und zu widerlegen. Anders herum: Wer an einer Diskussion nicht teilnehmen darf hat es leicht zu behaupten, seine Argumente seien verfälscht dargestellt worden und deshalb auch nicht widerlegt oder geschwächt. Entsprechend schwach ausgeprägt ist dann auch der Druck, die eigenen politischen Thesen und Positionen klar, nachvollziehbar und damit angreifbar auszuformulieren. Von dieser kaum thematisierten inhaltlichen Vagheit und Leere zu zentralen Fragen (z.B. Wirtschafts- und Finanzpolitik, Flüchtlingsthematik, Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik) lebt die AfD zu einem guten Teil heute noch. 

Mein Fazit 

Man hat mit Ausgrenzen, Verzerren und Ausschimpfen die rechtspopulistische Taktik sehr wirkungsvoll unterstützt:9)https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-saga-vom-staats-und-systemversagen-teil-5/

  • Schritt 1: Das bestehende System soll durch harte, beständige und unnachgiebige Kritik diskreditiert werden. Dies wurde der AfD sehr leicht gemacht, da sie sehr lange nicht zur rationalen Diskussion über die eigenen Positionen und Lösungsvorschläge gezwungen wurde und in der bequemen Rolle des Kritikers verharren durfte.
  • Schritt 2: Die kritisierten Schwachstellen werden als irreparables Systemversagen interpretiert. Auch dazu wurde der AfD durch Ausgrenzen und Ausschimpfen freundlicherweise die Pflicht zum Nachweis weitgehend erlassen. Zusätzlich wurde deren Systemkritik plausibilisiert: Ausgrenzen und Ausschimpfen sind tatsächlich Systemdefizite.
  • Schritt 3: Die eigene Partei oder Bewegung wird als einzig mögliche Rettung verkauft. Ausgrenzen und Ausschimpfen haben es der AfD enorm erleichtert, die Heldenpose einzunehmen und sich als Retter in der Not zu verkaufen.

Die Taktik des Ausgrenzens, Verzerrens und Ausschimpfens war und ist leider nicht der einzige falsche Ansatz im Umgang mit Rechtspopulisten. Ähnlich wirkungslos und zudem ausgesprochen naiv ist das nächste Beispiel.

Der Appell an Vernunft, Wahrheit, Toleranz und Freiheitsrechte funktioniert nicht

Rechtspopulisten und deren Sympathisanten werden oft und gerne ermahnt, bei der Wahrheit zu bleiben, Toleranz gegen die jeweils „Anderen“ zu üben (z.B. Ausländer und Flüchtlinge), Vernunft und Augenmaß zu wahren und die Freiheitsrechte aller Bürger zu respektieren (z.B. die Meinungsfreiheit und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung).10)Ein Beispiel von vielen: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/appell-zur-landtagswahl-drohender-rechtsruck-in-sachsen-alarmiert-tu-dresden/24456510.html?ticket=ST-44268988-wMtBjtcYW6tylXCuF4pw-ap2

Das funktioniert schlicht und einfach nicht:

  • Herausragende Vertreter des Rechtspopulismus wie Trump und Johnson sind allgemein als dreiste, plumpe und völlig schamfreie Gewohnheitslügner bekannt. Ihre Anhänger und Wähler wissen das und finden es richtig gut!
  • Viele rechtspopulistische Thesen und Positionen sind leicht als unvernünftig und hirnrissig erkennbar. Eindrucksvolle Beispiele liefern diverse Verschwörungstheorien wie die von der Umvolkung, der angeblichen Versklavung Großbritanniens durch die EU oder rational nicht belastbare Konzepte wie Rassismus und Nationalismus. Nur – die Sympathisanten, Unterstützer und Wähler stören sich daran überhaupt nicht!
  • Und dass Rechtspopulisten gerade deshalb gewählt werden, weil sie sich  klar und unmissverständlich gegen die offene Gesellschaft, gegen Toleranz und gegen Freiheitsrechte stellen, ist auch schwer zu übersehen.

Warum funktioniert der Appell an Vernunft, Wahrheit, Toleranz und Freiheitsrechte nicht?

Meine Analyse des Rechtspopulismus als kommunitaristisch geprägtes Ideen-Konglomerat erklärt überzeugend, warum dieser Appell wirkungslos bleiben muss:11)https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-ideologische-diagnose-teil-2/ 

  • Im Rechtspopulismus stehen andere Werte an oberster Stelle und diese stechen Vernunft, Wahrheit, Toleranz und Freiheit einfach aus. Das ist sogar ein normatives Charakteristikum des Rechtspopulismus. 
  • Über allem steht das Wohl der jeweiligen Gemeinschaft (Rasse, Volk, Nation etc.). Wie in meiner Analyse ausführlich erläutert, werden Freiheit, Toleranz, Vernunft und Wahrheit im Rechtspopulismus dafür häufig als Risikofaktoren betrachtet und dementsprechend bekämpft. 
  • Treue und Pflichtbewusstsein sind sehr wichtige Tugenden für die Mitglieder der Gemeinschaft; ohne sie ist deren Wohl nicht zu realisieren. Damit sind die Treue zu den Anführern und die Pflicht, seine von der Gemeinschaft gesetzte Rolle so gut wie möglich zu erfüllen, gemeint.  Freiheit, Toleranz, Vernunft und Wahrheit stören dabei meistens. 

Kurz und schmerzhaft: Dieser Appell geht ins Leere, weil er an Werte appelliert, gegen die der Rechtspopulismus ganz offen und unverblümt kämpft und die seine Anhänger nicht (mehr) akzeptieren.

Warum wird so gerne an Vernunft, Wahrheit, Toleranz und Freiheitsrechte appelliert?

Ich glaube, viele Journalisten und Politiker können oder wollen nicht verstehen, dass rechtspopulistische Bewegungen und Parteien vor allem deshalb unterstützt und gewählt werden, weil sie versprechen, die offene Gesellschaft und die Werte, auf denen sie beruht, abzuschaffen. Es geht eben nicht in erster Linie um die Überalterung von Dörfern, schlechtes Internet, miserable Busfahrpläne, einen Mangel heiratsfähiger Frauen auf dem Land, Vermögensungleichheiten oder ein paar Euro mehr für die Rente.

Anders ausgedrückt: Die meisten Wähler und Sympathisanten der Rechtspopulisten haben ein rechtsextremes Meinungs- und Weltbild. Genau deshalb sehen sie in vielen Aspekten der offenen Gesellschaft starke Ungerechtigkeiten und möchten genau deshalb ein „anderes System“. Und ohne dieses „andere System“ sind diese Ungerechtigkeiten des aktuellen Systems aus ihrer Sicht nicht behebbar.

Warum aber haben so viele Journalisten und Politiker das bis heute nicht verstanden? Meine Vermutung: Beschönigende und verharmlosende Interpretationen nach dem Motto 

  • Eigentlich sind die Wähler der Rechtspopulisten nur über gewisse materiell behebbare Missstände oder soziale Ungleichheiten verärgert und wählen lediglich aus Protest oder Naivität die AfD (oder Trump oder Johnson oder Le Pen oder …) 

passen viel besser zu den eigenen ideologischen bzw. kommunitaristischen Überzeugungen bzw. Vorurteilen: 

  • Der demokratische Wohlfahrtsstaat ist das mit Abstand gerechteste und wirkungsvollste Modell für eine stabile und harmonische Gesellschaft. Wähler und Sympathisanten der Rechtspopulisten, die das nicht erkennen, sind eigentlich nur verunsichert oder verwirrt. Kurz: Die haben es einfach (noch) nicht kapiert …

Dass dem nicht so ist und der Wohlfahrts- bzw. Universalstaat ein konsequenter und wirkungsvoller Wegbereiter des rechten und linken Populismus ist, habe ich in meiner Analyse ausführlich begründet. Leider spielt diese Einsicht in unserer öffentlichen Debatte so gut wie keine Rolle.12)https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-selbstschwaechung-des-staates-teil-3/

Der emotionale und ideologische Nutzen dieser apologetischen Interpretationen des Wählerverhaltens liegt also konkret darin, dass man die eigenen politischen Überzeugungen nicht auf den Prüfstand nüchterner und ehrlicher Kritik stellen muss. Das kann ja bekanntlich sehr wehtun – und wer mag das schon? Man vermeidet so die Auseinandersetzung mit Fragen wie diesen:

  • Warum haben so viele Wähler mit stark ausgeprägtem rechtsextremen Meinungs- und Weltbild früher die Unionsparteien und SPD bzw. Linke gewählt?
  • Wie ist es eigentlich zu erklären, dass so viele Bürger ein rechtsextremes Meinungsbild haben?
  • Wie kommt es, dass immer mehr Bürger den „alternativlosen“, real existierenden Wohlfahrts- und Universalstaat ablehnen, der doch materiell so viel für sie tut?
  • Warum funktioniert dessen Problemlösungsmodell Umverteilen und Schulden machen immer schlechter?
  • Warum ist die Unterstützung für die Rechtspopulisten nach wie vor sehr hoch, obwohl sie keine seriösen politischen Handlungskonzepte anzubieten haben?

Zum Schluss noch eine Bitte in eigener Sache

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PD Dr. Andreas Edmüller, 6. Februar 2020

References   [ + ]

1. Rechtspopulismus verstehen. Teil 1 – 6. Veröffentlichungsdatum: 21. September 2019.
2. „Schöne“ Beispiele dafür liefert die Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/
3. https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-zur-wahl-thueringen/
4. Ja, ich bin Optimist.
5. https://www.gruene-muenchen.de/2019/12/18/keine-auftritte-mit-afd-beteiligung/
6. Gleichzeitig wurde und wird der SED-Nachfolgepartei, dem linken Gegenstück zur AfD, in der Berichterstattung erstaunlich viel Raum gegeben und Verständnis entgegengebracht.
7. Für Deutschland liefert Jan Fleischhauer eine recht plausible Erklärung: https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/der-schwarze-kanal-warum-sind-die-meisten-journalisten-links_id_11639898.html
8. Das hat in aller Klarheit John Stuart Mill in seinem Klassiker On Liberty/Über die Freiheit (1859) herausgearbeitet: On Liberty and Other Essays. Ed.: John Gray. Oxford, New York,1991.
9. https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-saga-vom-staats-und-systemversagen-teil-5/
10. Ein Beispiel von vielen: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/appell-zur-landtagswahl-drohender-rechtsruck-in-sachsen-alarmiert-tu-dresden/24456510.html?ticket=ST-44268988-wMtBjtcYW6tylXCuF4pw-ap2
11. https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-ideologische-diagnose-teil-2/
12. https://blog.projekt-philosophie.de/liberalismus/rechtspopulismus-verstehen-die-selbstschwaechung-des-staates-teil-3/

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