In den Teilen 1 bis 6 habe ich ausführlich erläutert, wie wir dem Rechtspopulismus wirkungsvoll begegnen können – und wie nicht. Die verschiedenen Bausteine möchte ich zum Abschluss in ihrem Zusammenhang und im Überblick darstellen.
Dabei werde ich – wie eben – immer wieder die Begriffe „wir“ und „uns“ verwenden. Damit sind alle gemeint, die den normativen Rahmen des liberalen Rechtsstaates bewahren und wieder schärfen wollen.
Wir müssen die argumentative Lufthoheit gewinnen
Seit einiger Zeit dominieren die Rechtspopulisten mit „ihren“ Themen und ihrem fragwürdigen Debattenstil die öffentliche Diskussion. Sie schaffen es immer wieder, mit ihrer Kritik zu ganz bestimmten Themen (Flüchtlinge, innere Sicherheit, EU) beachtliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Damit bestimmen sie den Gang der Debatte und verstärken bei vielen Zeitgenossen eine gewisse Skepsis bezüglich des liberalen Rechtsstaates, seiner Stabilität und Handlungsfähigkeit.
Das sollten wir uns nicht gefallen lassen – und schwungvoll in die Offensive gehen:
- Wir sollten konsequent und unaufgeregt die konkreten Handlungsvorschläge der Rechtspopulisten auf den Prüfstand nüchterner Kritik stellen: Außer unterkomplexen Oberflächlichkeiten und beachtlicher Lautstärke ist da meistens Nichts.
- Wir sollten hartnäckig nach ihren Lösungskonzepten in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Zukunft des Wohlfahrtsstaates, EU, Außen- und Verteidigungspolitik fragen: Da gähnt uns eine mehrdimensionale Leere an.1)Genau deshalb vermeiden sie ja die Diskussion zu diesen Themen wo es nur geht.
- Wir sollten mit gleicher Schärfe ihre ideologischen Grundlagen, d.h. ihre anti-liberalen, kommunitaristischen Vorstellungen offenlegen und auseinandernehmen: Der ganze nationalistisch-rassistische-religiöse Leitkulturunfug wird eine rationale Prüfung nicht überstehen.2)Um Missverständnisse zu vermeiden: Gleiches gilt für den Kommunitarismus von Links, dem die SED-Nachfolger und leider bestimmte Teile der SPD und der Grünen anhängen.
Von dieser argumentativen Auseinandersetzung erwarte ich, dass potentielle Sympathisanten der Rechtspopulisten zum Nachdenken angeregt werden. Vor allem aber sehe ich darin ein selbstbewusstes Machtsignal der offenen Gesellschaft an die Rechtspopulisten: Jetzt reicht es – und worüber diskutiert wird, das bestimmen nicht die Herren Gauland und Höcke!
Das kann allerdings nur ein erster Schritt zur Eindämmung des Rechtspopulismus sein. Einerseits sind viele seiner Anhänger immun gegen rationale Argumente. Andererseits werden diverse Schwachstellen, an denen Kritik sich mit Berechtigung immer wieder entzündet, dadurch nicht behoben. Also:
Wir müssen die Schwachstellen, an denen die Rechtspopulisten mit ihrer zum Teil berechtigten Kritik ansetzen, entschlossen beheben
Ich habe ausführlich erläutert, dass und wie der Universalstaat durch Verzettelung und Selbstschwächung kommunitaristischen Strömungen Tür und Tor öffnet. Die liberale Antwort darauf liegt nahe:
- Wir sollten den Universalstaat zurückbauen – Schritt für Schritt und nach Plan. Dadurch werden die Ressourcen frei, die wir für die Stärkung der staatlichen Kernaufgaben benötigen: Innere und äußere Sicherheit, Justizwesen, Bildungssystem, soziale Sicherung im Notfall.
- Gleichzeitig sollten wir die für unsere Zukunft wirklich wichtigen Themen in den Mittelpunkt politischer Diskussion und – vor allem – politischen Handelns rücken, z.B. die Architektur und Positionierung der EU im globalen Spannungsfeld mit USA, China und Russland, die Zukunft der NATO und deren Strategie, der seit langem sich abzeichnende Mangel an Fachkräften für unsere Wirtschaft bzw. die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft, Digitalisierung, Energiesicherheit usw. Wir haben uns jetzt lange genug im konzeptionslosen und kleinteiligen Alibihandeln geübt.
- Etwas abstrakter ausgedrückt, geht es um die entschlossenen Stärkung des Rechtsstaates, der Individualrechte und des Parlamentarismus.
Vor allem der nötige Rückbau des Wohlfahrts- bzw. Universalstaates gefällt vielen Bürgern nicht und wird erst einmal auch nicht einleuchten. Mir ist auch klar, dass diese Widerstände sich nicht von alleine in Luft auflösen werden. Deshalb müssen wir in Ruhe darüber reden. Ich glaube allerdings tatsächlich, dass wir uns im Rahmen gesellschaftlicher Konsensfindung darauf einigen können.
Dazu benötigen wir aber das dritte Element meiner Strategie zur Eindämmung populistischer Strömungen.
Wir brauchen eine ehrliche und grundsätzliche Debatte, an welchen Werten wir unser Miteinander in Zukunft ausrichten wollen
Die Wichtigkeit und zunehmende Dringlichkeit dieser Debatte wird immer mehr Bürgern klar. Auf Dauer können wir uns das meistens strategie-, kontur- und konzeptionslose Gewurschtel unseres Universalstaates der letzten Jahre angesichts real existierender Herausforderungen einfach nicht leisten: Die Bundesrepublik braucht eine klare Strategie für Zukunftsfragen und daraus resultierendes entschlossenes Handeln.
Aus liberaler Sicht liegen Kernthemen und Rahmen dieser Grundsatzdebatte auf der Hand:
- Normative Grundlage sollte der Würdegedanke als individualistisches Freiheitskonzept sein.3)Das BVG hat mit seinem Urteil zur Sterbehilfe diese Lesart erfreulich klar untermauert: https://www.welt.de/politik/deutschland/article206140365/Sterbehilfe-Verfassungsgericht-sieht-Recht-auf-selbstbestimmtes-Sterben.html Dieses Fundament des liberalen Rechtsstaates und natürlich unserer Verfassung haben zu viele Bürger mittlerweile aus den Augen verloren.4)1989 haben wir uns vor dieser Debatte gedrückt. Ich bin sicher, dass darin ein Hauptgrund für die missglückte „Wiedervereinigung“ liegt: Deren „Spielregeln“ wurden nie erklärt, geklärt und verhandelt.
- Auf Basis des Würdegedankens müssen wir die nicht behebbare und systemimmanente Ungerechtigkeit des Universalstaates in aller Klarheit herausarbeiten: Immer mehr Umverteilung und staatliche Einmischung führen zwangsläufig zu immer mehr Entmündigung, Bevormundung, Gängelung, Infantilisierung und Instrumentalisierung der Bürger – und zu immer weniger Freiheit.5)Andreas Edmüller: Plädoyer für die Freiheit und gegen die Gleichheit. KDP, 2013.
- Wir müssen ganz pragmatisch die prinzipielle Unfähigkeit des Universalstaates erkennen, langfristig und dauerhaft die von ihm geweckten Wünsche, Ansprüche und Erwartungen zu erfüllen. Dieser Teil der Debatte dürfte der einfachste sein. Unter den klassischen Defiziten des Universalstaates, dem Teufelskreis aus Verzettelung und Selbstschwächung, leiden wir ja mittlerweile alle: Das ist meines Erachtens der reale Kern einer ansonsten schwer zu fassenden Grundstimmung der Staatsverdrossenheit.6)Ohne die hätten die Rechtspopulisten keinen Fuß in die Tür bekommen.
Die klassisch liberale Grundidee meiner Strategie …
… ist ganz einfach:
- Wir müssen den Würde- und Freiheitsgedanken konsequent stärken.
Der klassische Liberalismus als staatsphilosophischer Strang der Aufklärung ist das Gegenkonzept zu allen kommunitaristischen Staats- und Gesellschaftsmodellen, linken, rechten und religiösen. Sie alle lehnen den freiheitsorientierten Würdegedanken im Kern ab und ersetzen ihn durch die Einbindung in eine „harmonisch geordnete“ staatliche(!) Gemeinschaft, ihre Traditionen, Pflichten, Vorgaben, Ab- und Ausgrenzungen.
Man kann diese liberale Grundidee unter Zuhilfenahme des bekannten Sinnspruches J.F. Kennedys auch so ausdrücken:
- Frage nicht, was der Staat für dich tun kann;
- frage nicht, was du für den Staat tun kannst;
- sondern frage dich, was du in Eigenverantwortung und Eigeninitiative aus deinem Leben machen kannst!
Zum Schluss noch eine Bitte in eigener Sache
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PD Dr. Andreas Edmüller, 3. März 2020
References
1. | ↑ | Genau deshalb vermeiden sie ja die Diskussion zu diesen Themen wo es nur geht. |
2. | ↑ | Um Missverständnisse zu vermeiden: Gleiches gilt für den Kommunitarismus von Links, dem die SED-Nachfolger und leider bestimmte Teile der SPD und der Grünen anhängen. |
3. | ↑ | Das BVG hat mit seinem Urteil zur Sterbehilfe diese Lesart erfreulich klar untermauert: https://www.welt.de/politik/deutschland/article206140365/Sterbehilfe-Verfassungsgericht-sieht-Recht-auf-selbstbestimmtes-Sterben.html |
4. | ↑ | 1989 haben wir uns vor dieser Debatte gedrückt. Ich bin sicher, dass darin ein Hauptgrund für die missglückte „Wiedervereinigung“ liegt: Deren „Spielregeln“ wurden nie erklärt, geklärt und verhandelt. |
5. | ↑ | Andreas Edmüller: Plädoyer für die Freiheit und gegen die Gleichheit. KDP, 2013. |
6. | ↑ | Ohne die hätten die Rechtspopulisten keinen Fuß in die Tür bekommen. |