Weg mit dem Religionsunterricht! (Teil 2)

3655_Edmüller_U1Aus zahlreichen Diskussionen mit gläubigen Christen und deutlich weniger aber ähnlich aufschlussreichen Debatten mit gläubigen Muslimen kenne ich deren Argumente gegen meine Thesen zur Abschaffung des Religionsunterrichts. Am beliebtesten ist in beiden Lagern eindeutig das Beschwichtigungs-Argument. Es sei alles nur ein unglückliches Missverständnis. Die ständigen moralischen Auswüchse beider Religionen seien durch Fehl-Interpretation der Heiligen Schriften, durch menschliche Schwäche, durch religionsfremde Einflüsse zu erklären. Zum Beispiel durch die Machenschaften Satans und seiner atheistisch-liberalen Horden. Oder durch Freude am Sex. Die wahre Lehre von Bibel und Koran hingegen sei eine des Friedens, der Toleranz und der Gewaltfreiheit. Und gerade diese wahre Lehre müsse man im Unterricht entschlossen den Irrlehren (und Satan etc.) entgegensetzen!

Speziell von Christen wird dann gerne das historische Argument als Ergänzung vorgebracht: Unsere Gesellschaftsordnung und Moral wären doch wesentlich vom Christentum und dessen Werten geprägt. Eine Vermittlung dieser Grundlagen im Religionsunterricht sei deshalb ein wesentlicher Beitrag zu deren Verankerung und Stärkung im Bewusstsein der Schüler.

Bisweilen ist auch das Demokratie-Argument zu hören: Wenn die Eltern mehrheitlich wollen, dass religiöse Inhalte ihren Kindern im Unterricht vermittelt werden, dann dürfen steuerfinanzierte Schulen sich diesem Wunsch nicht verschließen. Von islamischer Seite wird dann auch gleich ganz eifrig auf den Präzedenzfall Christentum verwiesen: Warum dürfen die Christen und nicht wir ihren Religionsunterricht an Schulen abhalten? Ist das nicht eine gerade im angeblich religiös neutralen Staat empörende Bevorzugung bzw. Diskriminierung? Und sei das nicht integrationsfeindlich?

Das Beschwichtigungs-Argument

Die Antwort auf das Beschwichtigungsargument lässt sich prägnant zusammenfassen: Der Glaube an die „wahre“ Lesart von Bibel oder Koran ist eine Illusion – es gibt so etwas aus ganz prinzipiellen Gründen nicht! Was es gibt, ist eine unüberschaubare Fülle von Interpretationen, die sich inhaltlich oft drastisch unterscheiden und ebenso oft widersprechen. Und alle sind gleich gut oder gleich schlecht auf Basis der jeweiligen Heiligen Schrift begründbar.

In meinem neuesten Buch habe ich diese These der normativen Beliebigkeit für das Christentums ausführlich und in aller Transparenz entwickelt. Die Argumentation lässt sich leicht auf Islam und Koran übertragen.1)Andreas Edmüller: Die Legende von der christlichen Moral. Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist. Marburg 2015. Hier ganz kurz die wichtigsten Punkte meines Gedankenganges:

Zu fast jeder moralisch wichtigen Frage vertreten gläubige und theologisch bestens ausgebildete (!) Christen so gut wie jede mögliche Antwort (und haben das immer schon getan). Pazifismus oder Kriegsbereitschaft? Sozialismus oder Kapitalismus? Gleichberechtigung der Frau? Gleichgeschlechtliche Liebe? Homosexuelle Ehe? Polygamie oder Monogamie? Empfängnisverhütung? Demokratie oder Absolutismus? Nationalsozialismus oder Widerstand? Sterbehilfe? Todesstrafe? ….. Das Problem ist nicht, dass man von Christen zu diesen und vielen anderen Themen keine Antwort bekäme. Das Problem ist, dass man von Christen jede mögliche Antwort bekommt – und das auf Basis derselben Grundannahmen, z.B. der Bibel oder der Gewissenserforschung. Kurz: Christliche Moral rechtfertigt, erlaubt und verbietet alles! Diese grenzenlose Beliebigkeit ist empirisch einwandfrei belegt. Sie zeigt, dass der Anspruch, über eine „wahre Lehre“ zu verfügen, nicht haltbar ist. Es handelt sich dabei um eine der vielen Illusionen, aus denen gläubige Christen sich ihre Glaubenswelt zusammengezimmert haben.

Es gibt aus philosophischer Perspektive auch eine sehr schlüssige und nachvollziehbare Erklärung für diese moralische Haltlosigkeit des Christentums. Das Christentum verfügt nämlich über Nichts, was den selbstverständlichen Minimalbedingungen genügen würde, die eine Morallehre erfüllen muss. Was heißt das? Damit ein Moralsystem überhaupt so genannt zu werden verdient, muss es zu berechenbaren und stimmigen Ergebnissen führen. Dazu braucht es wiederum eine in Bezug auf Umfang und Inhalt klare und stimmige Menge von plausiblen Grundannahmen und ein zuverlässiges Entscheidungsverfahren für konkrete Einzelfälle. Schließlich sollten Grundannahmen und Entscheidungsverfahren über eine nachvollziehbare und belastbare Begründung gegenüber Alternativen ausgezeichnet werden können.

Das Christentum scheitert krachend an jeder dieser drei Minimalbedingungen. Erstens genügen weder die Zehn Gebote, deren Kombination mit dem Liebesgebot und der Bergpredigt, noch die ganze Bibel den Minimalanforderungen an ein Moralsystem. Sie liefern keine von Umfang und Inhalt her klare, in sich stimmige Menge von Grundannahmen. Sie stecken vielmehr voller unaufhebbarer Unklarheiten, Unstimmigkeiten und Widersprüche. Untersucht man, zweitens, christliche Argumente näher, so tauchen immer wieder die folgenden Entscheidungsverfahren auf: Die Ableitung aus biblischen oder naturrechtlichen Geboten, die Ableitung aus Gleichnissen und Erzählungen der Bibel, die Berufung auf Präzedenzfälle, die Entscheidung durch eine Autorität wie Papst oder Bischofskonferenz und der Appell an das Gewissen. Bis heute weiß das Christentum nicht, wie diese Elemente zusammenhängen und in ein stimmiges Entscheidungsverfahren überführt werden könnten. Man sucht sich halt aus, was man gerade brauchen kann und „argumentiert“ dann munter drauf los – einmal so und dann wieder anders. Das ist aber keine Methode, sondern die so unredliche wie oftmals zynische Weigerung, die eigenen „Moralurteile“ sauber zu begründen. Und drittens warten wir immer noch auf einen Gottesbeweis als Basis einer religiösen Fundierung.

Ein Blick auf den Islam zeigt, dass es in dieser Religion auch nicht mehr Klarheit bzw. Einigkeit gibt. Zahlreiche Lesarten werden jeweils als „die einzig wahre“ bezeichnet. Theologische Spitzfindigkeiten klärt man so gerne wie schwungvoll durch skrupellosen Gewalteinsatz und ob es jetzt gefordert, erlaubt, nur mit Einschränkungen erlaubt oder vielleicht doch eher verboten ist, Ungläubige (oder Frauen, die vorehelichen Sex hatten) zu massakrieren – tja, dazu gibt es halt viele verschiedene Meinungen. Jede davon ist natürlich die einzig wahre. Das ist wie beim Oralsex: Man kann das offenbar als Muslim so oder so sehen.2)Augsburger Allgemeine vom 13.7.2015: Islam-Gelehrter spricht über Oralsex – Moderatorin bricht in Gelächter aus. Gelächter ist übrigens mit die wirkungsvollste Waffe der Aufklärung und Säkularisierung! Es weiß übrigens auch keiner so genau, wer jetzt eigentlich ein Ungläubiger ist.

Mein Fazit: Es gibt weder im Christentum noch im Islam ein brauchbares Verfahren, das eine rationale Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Spiel- oder Lesart erlauben würde. Welche der unzähligen Islamvarianten soll denn mit welchen Argumenten unseren Schülern vermittelt werden? Die Rede vom „wahren Islam“ oder „wahren Christentum“ ist schlicht und einfach sinnlos und inhaltsleer. Genau deshalb scheitert das Beschwichtigungsargument: Erstens gibt es diese „wahre Lehre“ nicht und zweitens verfügt keine der beiden Religionen auch nur im Ansatz über ein rationales Verfahren, aggressive und gewalttätige Lesarten als weniger plausibel als friedliche auszuzeichnen.

Anders ausgedrückt: Die umfangreiche Gewaltgeschichte beider Religionen beruht nicht auf Missverständnissen oder böswilligen Entstellungen. Sie ist unheilbar systemimmanent.

Das historische Argument

Immer wieder wird behauptet, unsere Werteordnung sei wesentlich christlich geprägt und basiere auf dieser Religion:

Auch wer mit dem christlichen Glauben nichts anfangen kann, muss sich bis ins Mark getroffen fühlen (von dem Mord an dem französischen Pfarrer in Saint-Etienne-du Rouvray durch IS-Terroristen; A.E.). Denn gemeint ist damit auch unsere auf dem Christentum basierende Kultur, die Basis unseres Wertesystems.3)Fernsehrichter Alexander Hold auf bild.de vom 29.7.2016: Sie wollen unsere Religion vernichten. Hold will für die Freien Wähler für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren.

Das ist grundfalsch. So offensichtlich falsch, dass ein Verweis auf Bildungslücken als relativ wohlwollende Erklärung für derartige Behauptungen eigentlich nicht ausreicht. Es liegt näher, manipulative Motive, religiöse Verblendung oder langjährige unreflektierte Teilnahme am Religionsunterricht zu unterstellen.

Die beiden Grundpfeiler, auf denen unser normatives Konzept des säkularen Rechts- und Verfassungsstaates ruht, sind zum einen die individuelle Freiheit und moralische Eigenverantwortlichkeit jeder einzelnen Person: Die Freiheit, sein Leben nach der eigenen Fasson zu leben, Religions- und Glaubensfreiheit, sexuelle Selbstbestimmung, Meinungs- und Diskussionsfreiheit usw. Zum anderen die grundsätzliche normative Gleichheit aller Personen, also ein Recht und eine Moral, die frei sind von Privilegien und Diskriminierung: Selbstverständlich sind alle Personen, unabhängig von Religion, Rasse oder Geschlecht vor dem Gesetz gleich. Das Gesetz bzw. der Staat darf weder bestimmten Personengruppen noch Religionsgemeinschaften Privilegien sichern. Gleiches gilt für die Form des Zusammenlebens. Weder christliche noch islamische oder andere religiöse Modelle dürfen vom Staat bevorzugt behandelt werden. Das sind in aller Kürze die normativen Errungenschaften der europäischen Aufklärung – in Zusammenfassung habe ich eben den Kernbereich der Menschenrechte skizziert.

Diese Minimalskizze reicht bereits aus, um das historische Argument zu entkräften. Wann hätte sich denn das organisierte Christentum oder auch nur eine signifikante Mehrheit aller Christen für diese Werte eingesetzt? Nie – und das wissen auch die Theologen. Der christliche Sozialethiker Friedhelm Hengsbach drückt es in aller wünschenswerten Deutlichkeit aus:

Die Menschenrechtsideen und ihre Realisierung aus dem christlichen Schöpferglauben abzuleiten, gelingt wohl nur mit Hilfe einer Geschichtsklitterei, die den erbitterten kirchlichen Widerstand verklärt.4)Friedhelm Hengsbach: Mit der Arroganz des Vatikans. Süddeutsche Zeitung, 25.9.2011. Hengsbach gehört dem Jesuitenorden an.

Sogar im offiziellen Katechismus der deutschen Bischofskonferenz wird der christliche Widerstand gegen die Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung endlich zugegeben, wenn auch mit sehr beschönigenden Worten:

Die Kirche gibt zu, daß ihre Haltung „in den letzten zwei Jahrhunderten gegenüber den Menschenrechten nur zu oft durch Zögern, Einsprüche und Vorbehalte gekennzeichnet war. Gelegentlich kam es auf katholischer Seite sogar zu heftigen Reaktionen gegen jegliche Erklärung der Menschenrechte im Lichte des Liberalismus und des Laizismus . . . Das führte manchmal sogar zu offener Feindschaft und Verurteilung“ (ebd.), so bei Papst Pius VI., Pius VII., Gregor XVI. und Pius IX.5)Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Katholischer Erwachsenenkatechismus. Band 2, 1995. S. 107.

Damit ist das historische Argument eindeutig und klar entkräftet. Wie gesagt: Es geht mir hier nicht darum, die Absichten oder die Psyche derer zu analysieren, die diesen Unfug immer und immer wieder behaupten.

Das Demokratie-Argument

Auch unsere Universitäten sind steuerfinanziert – und trotzdem kommt niemand auf die Idee, deren Lehr- und Forschungsinhalte durch demokratische Mehrheitentscheide festlegen zu lassen. Zumindest bis jetzt noch nicht – aber der Einfallsreichtum von Pegida und anderen, die sich zur Zeit für das Volk halten, bietet sicher noch die eine oder andere Überraschung. Warum also sollten Mehrheitsentscheide für Schulen gelten?

Was ist die Aufgabe unserer Schulen? In erster Linie sollen sie Kindern und Jugendlichen einen Teil des Rüstzeugs vermitteln, mit dem sie ihr Leben in einer offenen Gesellschaft eigenverantwortlich und erfolgreich gestalten können. Es sollen Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Argumentieren, Informationsbeschaffung und Problemlösen vermittelt werden. Es sollen wichtige Kenntnisse und Wissensinhalte vermittelt werden: Geschichte, Fremdsprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Weltliteratur. Es sollten darüber hinaus normative Grundkenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden: Wissen um politische Gerechtigkeitskonzeptionen und Moralsysteme, normatives Argumentieren.

Wie man diese Ziele am besten erreicht und welche Inhalte genau gelehrt bzw. besprochen werden sollen, das bleibt den Fachleuten, also den Gestaltern der Lehrpläne, den Lehrern und eventuell gewählten Elternvertretungen in beratender Funktion vorbehalten. Diese werden vom Parlament, also der Volksvertretung, kontrolliert. Ein weises Parlament wird den Fachleuten und Schulen dabei große Freiräume anbieten und Theologen auf große Distanz halten.

Natürlich bietet dieser Ansatz viel Raum für inhaltliche Debatten und abweichende Meinungen. Zu Perfektion wird er auch nicht führen. Aber eines ist klar: Demokratische Mehrheitsentscheidungen haben in diesem Rahmen Nichts verloren. Zum einen verfügen die meisten Bürger schlicht und einfach nicht über die nötige Bildung, um Lehrinhalte hinsichtlich ihrer Relevanz und didaktischen Aufbereitung beurteilen zu können. Das zeigt ein Blick in die USA. Dort taucht regelmäßig die (demokratisch legitimierte?) Forderung auf, den biblischen Kreationismus als gleichberechtigte Theorie neben der Evolutionstheorie zu lehren oder letztere gleich ganz als Teufelswerk aus dem Unterricht zu verbannen. Der Kreationismus ist bekanntlich so hirnrissig wie unhaltbar und hat deshalb (!) im Lehrplan einer seriösen Schule allenfalls im Geschichts- oder Literaturunterricht seinen Platz – zusammen mit den „Theorien“ zu Hexen, Drachen und dem Stein der Weisen. Man muss aber gar nicht in die USA gehen. Bei uns glauben sehr viele Bürger bzw. Eltern an Esoteriklehren wie Astrologie oder Pendeln. Falls die Mehrheiten „stimmen“ sollten – wäre das ein Grund, den Schülern den Umgang mit Pendel und Tarot im Schulunterricht beizubringen? Also: Mehrheitsentscheidungen haben selbstverständlich im demokratischen Rechtsstaat ihren Platz, zur Festlegung von Lehrinhalten sind sie völlig ungeeignet.

Was aber tun, wenn ein demokratisch gewähltes Parlament, z.B. der bayerische Landtag, konfessionellen Religionsunterricht als Lehrinhalt beschließen sollte – was ja leider auch der Fall ist? Dann sollten wir uns und dem Parlament erneut die Tatsache bewusst machen, dass dies mit der politischen Gerechtigkeitskonzeption des säkularen Rechtsstaates nicht vereinbar ist. Warum sollten Nichtchristen oder Atheisten mit ihren Steuern in einem (offiziell) weltanschaulich und religiös neutralen (!) Staat christlichen Religionsunterricht finanzieren? Warum sollte eine bestimmte Religion eine derartige Vorzugsbehandlung genießen? Wie bereits erwähnt, ist dies schlicht und einfach nicht zu rechtfertigen. Beim real existierenden konfessionellen Religionsunterricht handelt es sich um ein Überbleibsel vergangener Kirchenmacht. Und die gilt es zu überwinden, nicht fortzuschreiben.6)Diesem Themenkreis widmet sich der Lehrer Ulf Faller so ausführlich wie kompetent in: Der Kruzifixstreit oder Warum Schule säkular sein muss. Marburg, 2014.

Zur Zeit kann man übrigens, bedingt durch das aggressive Auftreten vieler Vertreter des Islam, auch bei bayerischen C-Politikern ein Umdenken registrieren. Wesentlich öfter als noch vor wenigen Jahren ist zu hören, Religion sei Privatsache. Ja, das stimmt – und deshalb hat ein Unterricht in dieser „Disziplin“ an steuerfinanzierten Schulen im säkularen Rechtsstaat nicht das Geringste verloren. Dieser Gedanke führt zum

Präzedenzfall-Argument

Genau an dieser Stelle kann die Forderung nach islamischem Religionsunterricht plausibel gemacht werden. Wenn einer Religion, nämlich dem Christentum, vom eigentlich neutralen Staat bestimmte Privilegien gewährt werden – warum dann nicht allen anderen auch? Der Zentralrat der Muslime setzt auf genau dieses Argument. Unter Punkt 20 der Islamischen Charta werden vom Religionsunterricht über den Lautsprecher-Gebetsruf und die Vertretung in allen öffentlich-rechtlichen Medien bis hin zu Schächtung und Schutz der islamischen Feiertage sämtliche Parallelprivilegien aufgelistet, die man auch gerne hätte bzw. schon hat. Säkularisierung geht anders. Ganz anders. Ich hoffe, das sehen auch immer mehr Christen endlich ein.7)Ein Besuch der Website des Zentralrates der Muslime mit sehr aufmerksamer Lektüre der Islamischen Charta ist grundsätzlich zu empfehlen. Ebenso ein Blick auf die Website des Zentralrats der Ex-Muslime!

Der plump-unreflektierte Einwand, die Christen seien bei uns klar in der Mehrheit, greift nicht: Der Rechtsstaat soll ja gerade die Diskriminierung der Schwachen bzw. von Minderheiten verhindern. Und der noch plumpere Einwand, unser Staats- und Gesellschaftsmodell habe christliche Wurzeln, ist schon weiter oben widerlegt worden. Es gibt allerdings eine sehr solide und überzeugende Antwort auf das Präzedenzfall-Argument bzw. die Forderung nach islamischem Religionsunterricht: Wenn wir den christlichen Religionsunterricht abschaffen, geht dieses Argument ins Leere. Und genau dafür plädiere ich!

Mein Fazit

Das Beschwichtigungs-Argument scheitert an der Tatsache, dass es die „wahre“ Lesart von Christentum oder Islam nicht gibt. Gewaltfördernde Lesarten sind auf Basis von Bibel oder Koran so gut oder schlecht begründbar wie eher friedfertige.

Das historische Argument ist grundfalsch: Unsere politische Ordnung wurzelt definitiv nicht im Christentum, sondern wurde diesem in sehr harten und langwierigen Auseinandersetzungen abgerungen.

Das Demokratie-Argument passt zwar gut in die aktuelle politische Landschaft der steten Volks-Aufgeregtheit, taugt aber trotzdem nichts. Die Inhalte des bestmöglichen Schulunterrichts sollten für Mehrheitsabstimmungen nicht zugänglich sein. Zudem kann auch eine empörte oder beleidigte Mehrheit nicht das Neutralitätsgebot des Rechtsstaates aushebeln: Privilegien für eine bestimmte Religion sind mit unserem Grundverständnis politischer Gerechtigkeit ganz einfach nicht vereinbar.

Das Präzedenzfall-Argument zur Stärkung der Forderung nach Islam-Unterricht kann und sollte ganz einfach durch die Abschaffung des christlichen Religionsunterrichtes entschärft werden.

PD Dr. Andreas Edmüller, 7. September 2016

References   [ + ]

1. Andreas Edmüller: Die Legende von der christlichen Moral. Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist. Marburg 2015.
2. Augsburger Allgemeine vom 13.7.2015: Islam-Gelehrter spricht über Oralsex – Moderatorin bricht in Gelächter aus. Gelächter ist übrigens mit die wirkungsvollste Waffe der Aufklärung und Säkularisierung!
3. Fernsehrichter Alexander Hold auf bild.de vom 29.7.2016: Sie wollen unsere Religion vernichten. Hold will für die Freien Wähler für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren.
4. Friedhelm Hengsbach: Mit der Arroganz des Vatikans. Süddeutsche Zeitung, 25.9.2011. Hengsbach gehört dem Jesuitenorden an.
5. Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Katholischer Erwachsenenkatechismus. Band 2, 1995. S. 107.
6. Diesem Themenkreis widmet sich der Lehrer Ulf Faller so ausführlich wie kompetent in: Der Kruzifixstreit oder Warum Schule säkular sein muss. Marburg, 2014.
7. Ein Besuch der Website des Zentralrates der Muslime mit sehr aufmerksamer Lektüre der Islamischen Charta ist grundsätzlich zu empfehlen. Ebenso ein Blick auf die Website des Zentralrats der Ex-Muslime!

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